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Wie deutsche Unternehmen Innovationen erschweren

Zu viel Chaos in der Entwicklung kann Zeit und Geld kosten.

Zu viel Freiheit behindert den Entwicklungsprozess . Das behauptet eine neue Studie. Sie befeuert den Streit darüber, welche Form des Management Innovationen am stärksten fördert.

Das kreative Chaos galt vor nicht allzu langer Zeit als der neue Weg, Innovationen im Unternehmen voranzutreiben. Die Vorgesetzten sollten den Entwicklern nur genug Freiraum gewähren, und die guten Ideen würden nur so sprudeln. Doch der Glaube ans Chaos droht zum Hindernis für die Innovationskraft der deutschen Unternehmen zu werden.

54 Prozent aller deutschen Unternehmen geben ihren kreativen Prozessen keine Struktur, wie die Beratung Staufen aus Köngen bei Stuttgart in einer Studie herausgefunden hat. Während in anderen Unternehmensbereichen mit klarer Struktur gearbeitet würde, sie das hier oft noch nicht der Fall, so die Autoren. Das sei problematisch. Denn Marktanalysen hätten gezeigt, dass das zu längeren Entwicklungszeiten und höheren Kosten führe.

Entwickler wehren sich oft dagegen, dass ihrer Arbeit Grenzen gesetzt werden. Sie fürchten, kreative Energie ginge verloren, wenn Freiräume schwänden. „Das Gegenteil ist allerdings der Fall: Mit Lean Innovation und Lean Development gewinnen Entwickler sogar Freiraum für die wirklich wichtigen Aufgaben“, ist Andreas Romberg überzeugt, Partner bei Staufen.

Vor allem Routineabläufe fressen im kreativen ChaosEnergie . Wenn zum Beispiel nicht klar ist, wann und wo die Beteiligten ihre Fortschritte dokumentieren, erfordert es extra Zeit, um diese Meetings zu organisieren. Zeit, die dann für die eigentlichen Aufgaben der Abteilung fehlt.

Kurze Entwicklungszyklen, straffe Organisation

Auch Kontrollmechanismen fehlen häufig. Dadurch würden Entwicklungsfehler später als nötig bemerkt. Die nachträgliche Korrektur bringe dann entsprechende Mehrkosten mit sich, heißt es in der Studie. Gerade dadurch, dass in Zeiten der Digitalisierung die Entwicklungszyklen immer schneller werden, seien hier straffe Strukturen nötig. „Der Wettbewerbsdruck auf die Entwicklungsabteilungen steigt“, meint Romberg.

Zur Lösung des Problems sollten Unternehmen eben auf die Idee des Lean Management setzen, meinen die Staufen-Berater. Popularisiert haben die Amerikaner James P. Womack und Daniel T. Jones sie, die sich dabei am Beispiel des japanischen Automobilherstellers Toyota orientierten. Im Kern geht es darum, unnötige Arbeitsprozesse zu eliminieren. Dazu sollten die Führungskräfte jede Aufgabe darauf überprüfen, ob sie zum einen im Interesse des Kunden ist, zum anderen in dem des Unternehmens. Im Ergebnis bedeutet das in der Regel klare Vorgaben für Produktionsprozesse, eindeutige Verantwortlichkeiten und Mechanismen, um schnell auf Fehler zu reagieren.

Der Lean-Ansatz ist nicht neu, viele Unternehmen versuchen seit den Neunzigern, Toyotas Erfolgsrezept zu kopieren. Unternehmensberatungen empfehlen das Konzept immer wieder. Die Ergebnisse sind allerdings durchwachsen, die erhofften Erfolge stellen sich selten ein. Die US-Wissenschaftler Jeffrey Liker und Mike Rother vermuteten bereits vor einigen Jahren als Grund, dass die Unternehmen Lean Management falsch verstanden hätten. Es gehe nicht darum, dessen Prinzipien starr immer und überall zu implementieren. Wenn die Unternehmensführung einfach von oben verordne, möglichst viele Arbeitsschritte abzuschaffen, bringe das keinen Wandel. Stattdessen müsse sie die Mitarbeiter dazu anregen, von selbst Strukturen zu implementieren, die für ihren jeweiligen Bereich sinnvoll seien. Was in Beschaffungswesen oder  Produktion funktioniert, kann in der Entwicklung unnütz sein.

Ein bisschen Freiheit (oder Chaos) muss man den Kreativen in Deutschlands Unternehmen also wohl lassen. Und auch bei Staufen sehen sie längst nicht alles schwarz. Viele der befragten Unternehmen verstünden sich als lernende Organisationen, die auf kontinuierliche Verbesserungen und systematische Problemlösungen ausgelegt seien. Das Kunststück sei jetzt, dieses Selbstverständnis in der Entwicklung mit Ideen aus Produktion und Logistik zusammenzubringen.