Algenreaktor der Firma IGV Biotech / Quelle: IGV Biotech, CC BY-SA 3.0, Wikimedia Commons
Sie sind ein robuster, anspruchsloser und nachhaltiger Rohstoff. Zahlreiche Unternehmen und Forschungseinrichtungen setzen daher große Hoffnung in die Möglichkeiten der Biotechnologie auf Algenbasis. Schlagzeilen machten Algen bisher vor allem als denkbarer Ersatz für Kerosin. Algen-Kerosin könnte die Luftfahrtbranche ihrem selbstauferlegten Ziel ein Stück näherbringen: Eine Halbierung des CO2-Austoßes bis 2050.
Von den pflanzenartigen Lebewesen versprechen sich Wissenschaftler jedoch noch mehr . Neben der Verwertung als Treibstoff gelang es einer Forschergruppe aus Konstanz zuletzt, Algenöl in höherwertige chemische Rohstoffe umzuwandeln. Das Verfahren trägt den komplizierten Namen isomerisierende Alkoxycarbonylierung und schafft die Grundlage für die Nutzung von Algen als chemischen Grundstoff für eine ganze Bandbreite von Materialien und Produkten.
„Wir sind sehr daran interessiert, die Möglichkeiten von Algen als Rohstoff für die Chemie auszuloten“, erklärt der Chemiker Stefan Mecking, dessen Arbeitsgruppe die Forschungsarbeiten durchführte. „Weltweit gehen wissenschaftliche Bestrebungen in die Richtung, Algen als Rohölersatz und Brennstoff zu nutzen, vor allem als Ersatz für Kerosin. Wir wollen einen Schritt weiter gehen und aus Algen nicht nur ein Replikat von Erdöl gewinnen, sondern sie in höherwertige Chemiebausteine umwandeln und sie als Rohstoff der Chemie nutzbar machen“, führt Mecking aus.
Traumhaftes Ergebnis
„Algen erfordern keinen Platz auf landwirtschaftlichen Nutzflächen und können sehr schnell und effizient wachsen“, erläutert Peter Kroth, Biologe und Algenexperte im Team, die Vorteile der Alge. Wie die Konstanzer Forscher nun zeigten, ist das Potential der Algen mit ihrer möglichen Nutzung als Röhölersatz noch lange nicht ausgeschöpft. Die chemische Umwandlung des Algenöl ist ein Durchbruch. Die Reaktion wurde von Wissenschaftlern in der Vergangenheit schon öfters als ‚dream reaction‘ beschrieben.
Auch im Bereich der Algenzucht gibt es immer wieder neue Erkenntnisse und Weiterentwicklungen. Die Reaktoren zur Kultivierung der Algen nutzen die Photosynthese-Fähigkeit und sind einem natürliches Kreislauf nachempfunden. Das Algenwachstum bindet CO2 und schafft zugleich Biomasse. Die lässt sich für Testreihen verwenden oder eben als Brennstoff verwerten. Eine solche Forschungsanlage kann man beispielsweise an der TH Wildau in Brandenburg besichtigen.
Das größte Potenzial steckt vermutlich in der Nutzung im Bereich der Erneuerbaren Energien. Auch hier sind die Einsatzgebiete vielseitig. So lassen sich zum Beispiel Methan und Wasserstoff aus Algen gewinnen. Bei Treibstoffen sind neben Kerosin auch Diesel und Ethanol möglich. Häuser lassen sich, analog zu Solaranlagen, mit Algenreaktoren ausrüsten. Rohstoff für Treibstoff, Kosmetik, Medizin, Tierfutter – Kurzum: Mikroalgen als Energielieferant oder Rohstoff für die Biotechnologie haben eine große Zukunft.