Die Innovationszyklen werden in der globalisierten Welt immer kürzer und die Grenzen auf vielen Gebieten immer durchlässiger. Deshalb nutzen viele Unternehmen heute das Prinzip von Open Innovation. So auch der Siemens Konzern. Der erhofft sich von den offenen Innovationsprozesses, in dem abteilungs- und sogar firmenübergreifendes Wissen zusammengeführt wird, einen Wettbewerbsvorteil.
Siemens-Experten sollen nicht mehr an Wissensgrenzen gebunden sein. Das erklärte Ziel: Die Mitarbeiter diskutieren gemeinsam Probleme, identifizieren die besten Ideen und bringen diese zur Marktreife.
Siemens nutzt dafür zum Beispiel die Plattform TechnoWeb. „Viele der hier heiß diskutierten Themen werden auch wirklich zu den Trends von morgen“, berichtet Thorsten Krüger von Siemens Corporate Technology (CT).
Grenzenloser Ideenaustausch
Bei TechnoWeb beschreibt der Fragesteller ein Problem – etwa eine Herausforderung bei einem Entwicklungsprojekt –, gibt einen Schätzwert für die Auswirkung auf das Geschäft an und fügt Themen-Verlinkungen, sogenannte Tags, hinzu. Anschließend wählt das System automatisiert aus, zu welchen TechnoWeb-Mitgliedern diese Anfrage passen könnte.
„Die Erfahrung zeigt, dass die Fragesteller fast immer mehrere Antworten erhalten – die erste oft sogar bereits innerhalb von 30 Minuten“, berichtet Nischita Sudharsan Projektleiterin von TechnoWeb.
„Mit der Plattform lassen sich somit schnell Informationen und Hilfestellungen innerhalb des Siemens-Netzwerks finden“, erklärt Krüger. Dank einer App für Smartphones funktioniert das auch von unterwegs.
Doch auch mit bewusst angestoßenen Wettbewerben entwickeln Forscher bei Siemens neue Ideen.
Wettbewerb der Ideen
Ein Beispiel dafür ist der Ideenwettbwerb „Quickstarter“. Das im April 2015 gestartete Pilotprojekt ist ein offen gestalteter Kreativwettstreit, bei dem nicht das Management entscheidet, was innovativ ist, sondern die Mitarbeiter. Innerhalb von vier Wochen haben Siemens-Mitarbeiter 111 Ideen für Innovationen eingereicht. Diese Vorschläge wurden in der Online-Gemeinschaft kommentiert und Inhalte mit den Kollegen ausgetauscht.
Der Clou bei diesem Projekt: Zusätzlich zu den Ideen durften die Siemens-Mitarbeiter insgesamt 500.000 Euro verteilen.
Innovative Ideen werden Wirklichkeit
15 Ideen haben das Rennen gemacht und eine wirkungsvolle Anschubfinanzierung erhalten. „Die Projektvorschläge waren überaus vielfältig“, sagt Christian Homma, Initiator und Projektleiter der Pilotphase. Ein Beispiel für ein finanziertes Projekt ist eine Studie zu „Urban Farming“, bei der entsprechende Geschäftspotenziale erarbeitet und mit den Stakeholdern diskutiert werden sollen. Im Fokus steht hier der Anbau landwirtschaftlicher Produkte wie Salat und Gemüse in und an Gebäuden in einer Stadt und das Management der dafür anfallenden Energieversorgung.
“Quickstarter“ soll kein einmaliges Ereignis bleiben, sondern in Zukunft regelmäßig stattfinden.
Wertvolle Forschungskooperationen
Aber es gibt auch zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie Siemens außerhalb seiner eigenen Wände die Vorteile von Open Innovation nutzt, so zum Beispiel mit Universitäten und Forschungsinstitutionen. Auch durch Kooperationsprojekte mit viel versprechenden Start-ups oder die Gründung eigener Start-ups hat Siemens die Möglichkeit, innovative Ansätze und Geschäftsmodelle zu entwickeln und diese unter realen Marktbedingungen zu erproben.
Neue Wege der Ideenentwicklung
Sowohl das TechnoWeb als auch Ideenwettbewerbe oder Forschungskooperationen sind Beispiele für neue Wege der Ideengenerierung. Und sie fordern eine kulturelle Veränderung. „Es geht nicht mehr darum, mein Wissen, dein Wissen, mein Schatz. Wissen ist das Einzige, was sich vermehrt, wenn man es teilt“, sagt Christoph Krois, Mitarbeiter im Innovationsmanagement. Es sei sehr reizvoll, das riesige Potenzial im Unternehmen konzernübergreifend zu nutzen. Noch dazu zeit- und ortsunabhängig.
Die Quintessenz: Open Innovation kann besonders großen Konzernen einen Vorteil verschaffen. Hinter verschlossenen Türen forschen und innovieren – das ist heutzutage keine Option mehr.