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Rohrkolben: Ein vergessener Rohstoff wird neu entdeckt

Quelle: Naporo

Hundert Millionen Jahre alt, erlebte der Rohrkolben – regional auch Lampenputzer, Schlotfeger, Bumskeule oder Kanonenputzer genannt – den Untergang der Dinosaurier ebenso wie den Aufstieg des Homo sapiens. Für den Menschen war die an Gewässern und Sümpfen heimische Pflanze bereits vor 130.000 Jahren von großer Bedeutung; die stärkereichen Wurzel-Rhizome dienten dem frühen, nomadischen Mensch als Nahrung.

"Der Rohrkolben überlebte Eiszeiten, Hitzeperioden, gefräßige Insekten, Saurier, Sintfluten, vielleicht auch den Menschen. Er ist ein überaus erfolgreiches Modell aus dem Evolutionslabor der Natur", schreibt die Naporo GmbH aus Österreich in ihrer Infobroschüre über die vielseitige Pflanze. Das Unternehmen hat seit 2009 bereits sieben Patente zur industriellen Verwertung von Rohrkolben angemeldet.

Denn neben der Verwendung von Typha zur Abwasseraufbereitung in Kläranlagen, zur Entgiftung und Renaturierung von Böden oder als Heilmittel in der Medizin, eignet sich die Wasserpflanze hervorragend als Baumaterial. Sie ist belastbar, schimmelresistent, hochdämmend, energiearm in der Herstellung, rein biologisch und nachhaltig. Das hat auch die Firma typha technik Naturdämmstoffe aus Schönau in Niederbayern erkannt. 

Eine Pflanze mit Auszeichnung

Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Bauphysik entwickelte typha technik eine magnesitgebundene Dämmplatte aus Rohrkolben. Diese verfügt über eine geringe Wärmeleitfähigkeit, bietet zudem gute Brand,- und Schallschutzeigenschaften und ist zugleich sehr belastbar. Für die Standortinitiative "Deutschland – Land der Ideen" war das Grund genug, das Projekt mit dem Titel "Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen" zu würdigen.

Der Einsatz von Typha als Baustoff hat zahlreiche weitere positive Begleiterscheinungen. Beispielsweise können übernutzte Landwirtschaftsflächen wie Niedermoore durch den Anbau der Pflanze regenerieren. Auch bietet die als natürliche Monokultur vorkommende Pflanze vielen Wildtieren einen Lebensraum. Außerdem bindet Typha große Mengen Kohlenstoffdioxid, welches auch nach der Verarbeitung zum Dämmstoff gebunden bleibt.

Dass der Rohrkolben gerade jetzt wiederentdeckt wird, liegt auch an den wachsenden Bedürfnissen nach ökologischen Bauweisen. Typha bietet hier eine Alternative zu den üblicherweise genutzten Rohstoffen Holz und Baumwolle. Ein entscheidender Vorteil des Rohrkolbens: Er wächst sehr schnell und bildet sehr viel Biomasse.

Eine Pflanze mit Tradition

Doch ähnlich wie bei industriell genutztem Hanf, handelt es sich um einen in Vergessenheit geratenen Rohstoff. Denn die Vorzüge der Pflanze sind bereits seit hundert Jahren bekannt. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Deutschland eine florierende Textilindustrie, die die Typha-Fasern nutzte.

In der Fachzeitschrift Chemisches Zentralblatt (erschienen 1830-1969) vom 31. Dezember 1919 beschreibt die Deutsche Typha Verwertungsgesellschaft mbH bereits: "Es ergeben sich lange, weiche, spinnige und schmiegsame Fasern, die erhebliche Reißfestigkeit und Widerstandskraft besitzen."

Erwähnung findet das Gewächs auch in einer Monographie aus dem Jahr 1888. Dort wird beschrieben, wie die Fasern der Pflanze für handwerkliche Flechtarbeiten und sogar beim Dachdecken zum Einsatz kam. Manchmal scheint es auszureichen, ein wenig in der Vergangenheit zu forschen, um Ideen für die Zukunft entwickeln zu können.

Obwohl der Rohrkolben anderen, herkömmlichen Rohstoffen überlegen ist, wird es wohl Zeit brauchen bis sich er sich am Markt etablieren und im großen Stil verbaut und verarbeitet werden kann. Hoffentlich keine weiteren 100 Jahre.