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Preisträger im Portrait: Merck revolutioniert die Display-Technologie

Das Team um Michael Heckmeier empfängt den Deutschen Innovationspreis 2015 / Quelle: Stefan Obermeier

Zellen einer Möhre hatte der österreichische Botaniker Friedrich Reinitzer 1888 unter seinem Mikroskop – und entdeckte dabei scheinbar Unmögliches: flüssige Kristalle, eine Art Zwitter zwischen Flüssigkeit und Festkörper. Es dauerte noch neun Jahrzehnte, bis seine Entdeckung eine technische Anwendung fand – die erste Quarzuhr von Seiko Epson kam 1973 auf den Markt. Erst 1999 gab es den ersten Flachbildfernseher von Pioneer.

Heute stecken die flüssigen Kristalle (englisch: Liquid Cristals, LC) in Milliarden Displays von Laptops, Fernsehgeräten und, seit Apple 2007 mit seinem ersten iPhone den Markt befeuerte, Smartphones. Mittlerweile finden sich die Flüssigkristalle des Darmstädter Chemie- und Pharmaunternehmens Merck in rund 60 Prozent aller Flachbilddisplays weltweit. Vor allem bei tragbaren Telefonen aber macht sich ein Grundproblem der Technik schmerzhaft bemerkbar: Die weiße Hintergrundbeleuchtung leuchtet immer, selbst wenn der Bildschirm schwarz ist, und verschwendet Energie aus dem Akku. Und weil die Displays der Smartphones mit jeder Generation größer werden, steigt auch ihr Leistungshunger.

Trotzdem sollen Akkus und Geräte dünn und handlich bleiben. Vergangenes Jahr präsentierte Merck deshalb eine neue LC-Technologie, bei der die neu entwickelten, zwischen zwei Glasplatten liegenden Flüssigkristalle, das Licht extrem effizient nutzen. Die Folge: Das Bild erscheint leuchtender und schärfer, und trotzdem braucht das Display rund ein Drittel weniger Energie.

Beitrag zur weltweiten Digitalisierung

Frank Riemensperger, Juror beim Deutschen Innovationspreis und Deutschland-Chef des Beratungsunternehmens Accenture, ist beeindruckt von dieser Innovationskraft, die Merck den Sieg in der Kategorie Großunternehmen beschert: „Damit leistet dieses deutsche Unternehmen seinen eigenen wichtigen Beitrag zur weltweiten Digitalisierung“, lobt Riemensperger.

Bereits eine Zehntelgrammmischung der Flüssigkristalle verleiht den Displays von Smartphones und Tablets ihre Leuchtkraft. Stehen die Kristalle unter Spannung, richten sie sich einheitlich senkrecht zur Glasplatte aus und lassen Licht durch. „Die Flüssigkristalle funktionieren als eine Art Lichtventil“, sagt Michael Heckmeier, der bis Ende vergangenen Jahres die Flüssigkristallforschung bei Merck leitete.

Die Grundbausteine der Flüssigkristallbildschirme entwickeln mehr als 200 Merck-Wissenschaftler in Darmstadt mit einem jährlichen Forschungsbudget von 60 Millionen Euro. Immer wieder tüfteln sie neue Mixturen für spezielle Anforderungen aus und schicken sie dann zusammen mit für die Kunden maßgeschneiderten Rezepturen an die Merck-Ableger in China, Japan, Korea und Taiwan. Heute leuchten Mercks Kristalle in vier von fünf Smartphones weltweit. Die Sparte machte 2014 mit 6000 Mitarbeitern mehr als zwei Milliarden Euro Umsatz und warf einen Gewinn vor Abschreibungen, Steuern und Zinsen von rund 43 Prozent ab.

Bildschirme zum Falten

Wo weiteres Wachstum herkommen kann, umreißt Roman Maisch, der bei Merck Marketing und Vertrieb verantwortet: „In der Entwicklung sind faltbare Displays.“ Daneben habe Merck in seinem neuen Innovationszentrum in Darmstadt gerade Smart Windows einbauen lassen. Diese Fenster lassen sich mithilfe einer Flüssigkristallschicht ähnlich einer selbsttönenden Sonnenbrille stufenlos verschatten. Das funktioniert ohne Jalousien, ermöglicht den freien Blick nach draußen und bietet hohes Energiesparpotenzial: Die Technik kann die Innentemperatur um bis zu zehn Grad senken.