BMW Werk Leipzig - Karosseriebau / Quelle: Torsten.heise, CC by 2.0, Wikimedia Commons
Die Idee der vierten industriellen Revolution geistert durch die Chefetagen und Messehallen der Welt. Die fertigende Industrie verspricht sich selbst einen Jungbrunnen. Besonders in Deutschland hoffen Manager wie Mitarbeiter auf die belebende Mixtur aus traditioneller Handwerkskunst und moderner IT-Systeme. Ist das Internet der Dinge der Heilsbringer einer kriselnden Branche oder tatsächlich der Weg zur vierten industriellen Revolution?
Die Grundidee der Industrie 4.0 ist einfach: Maschinen sollen künftig besser miteinander kommunizieren. Von Machine-to-Machine-Kommunikation oder M2M sprechen Fachleute. Die rasante Entwicklung im Bereich der Sensorentechnik bringt dazu günstige und ultrakleine Chips ins Spiel. Intelligente Bauteile und vernetzte Produktionsstraßen koordinieren die Arbeitsabläufe selbstständig. Theoretisch kann jeder Gegenstand in Zukunft eine eigene IP-Adresse erhalten.
Vernetzte Maschinen in den Fabriken
Für kleine und mittelständische Betriebe, wie zum Beispiel im Maschinen- und Anlagenbau, ist das eine gewaltige Chance. Die intelligente Steuerung der Fertigungsprozesse ermöglicht flexible Lösungen in kleinen Serien. Kundenwünsche finden so leichter Berücksichtigung, ohne gleich den ganzen Produktionsablauf umzustellen. Das einzelne Produkt könnte in Zukunft die Prozessabläufe steuern, statt umgekehrt. Doch wo sind die smarten Fabriken für die smarten Produkte?
Die Antwort lautet bisher; „In den USA!“. Während Deutschland über Jahrzehnte führend auf den Gebieten Maschinenbau und Produktion war, legen amerikanische Unternehmen seit ein paar Jahren ein neues Tempo vor. Im April sagte Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI): „Deutschland verliert den Anschluss an die Weltelite“, und erklärte weiter, dass Deutschlands Stärke in Industrie und Maschinenbau absehbar gefährdet sei.
USA legen vor – Deutschland zieht nach
In den vergangenen 20 Jahren hat die europäische Industrie weltweit mehr als zehn Prozent Marktanteil verloren. Im selben Zeitraum wurden acht Prozent der Arbeitsplätze in der deutschen Industrie abgebaut, so lauten die Ergebnisse einer Untersuchung der Unternehmensberatung Roland Berger. Und während in den USA Präsident Obama in der Zwischenzeit die „Renaissance der amerikanischen Industrie“ ausruft, meint Kanzlerin Angela Merkel: „Wir müssen uns sputen“.
Deutschland liegt nach Angaben von Roland Berger in Europa vorne. Deutsche Unternehmen wie Siemens oder Trumpf gelten als Pioniere unter Fachleuten. Andererseits: Fast zwei Drittel der Mittelständler aus der verarbeitenden Industrie kennen den Begriff „Industrie 4.0“ nicht. Das ergab eine Umfrage des Analysehaus techconsult im Juni. Die Marktforscher von IDC bestätigen das Defizit: 43 Prozent aller befragten Fach- und Führungskräfte konnten mit dem Begriff nichts anfangen.
Das ist zumindest ungewöhnlich. Denn das Thema Industrie 4.0 findet sich beispielsweise im schwarz-roten Koalitionsvertrag und war zuletzt sogar Leitthema der Hannover Messe, der größten Industriemesse der Welt. Dennoch scheint die Industrie 4.0 derzeit lediglich ein Thema, das in einem sehr überschaubaren Zirkel diskutiert wird. Doch die Zeit drängt. Das Fraunhofer Institut rechnet mit 50 Milliarden vernetzten Geräten bis 2020. In nur sechs Jahren wird die Produktion schon vollkommen anders aussehen als heute.
Noch keine Revolution in Sicht
Dabei sind viele Fragen noch offen: Wie sollen in so kurzer Zeit Maschinen und Anlagen nachgerüstet werden? Wie steht es um die Datensicherheit und die Verwaltung der riesigen Datenmengen? Und vor allem: Wie soll die Industrie 4.0 finanziert werden? Vorzeigeprojekte sind bisher noch kaum sichtbar. Einige Autobauer arbeiten mit Google zusammen, der Reifenhersteller Continental mit Cisco und IBM.
Doch in der Breite bleibt die vierte industrielle Revolution in Deutschland bisher noch aus. Und auch die Digitale Agenda der Bundesregierung wird daran wenig ändern. Eine gemeinsame Agenda von Politik und Wirtschaft, ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungsprogramm könnten diese Revolution vielleicht noch anfachen.