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Im Gespräch: Evoniks Chef-Innovator Ulrich Küsthardt über gutes Innovationsmanagement

Hallo Herr Küsthardt! Erste Frage: Nehmen Sie an der Verleihung des Deutschen Innovationspreises teil und wenn ja, auf wen freuen Sie sich am meisten?

Hallo Herr Bräutigam! Ja, ich nehme am Forum und der Gala teil und freue mich auch schon auf die Finalisten. Meinen persönlichen Favoriten verrate ich jetzt natürlich nicht! Aber es sind wirklich spannende Projekte dabei.

Reden wir über Ihr Unternehmen. Evonik soll eines der innovativsten Unternehmen der Welt werden, so Vorstandvorsitzender Klaus Engel. Ziemlich ambitioniert oder?

Das ist eine Vision, und die darf ruhig ambitioniert sein. Denn, so eine Vision ist wichtig, um dem Unternehmen eine Richtung vorzugeben. Ich brenne für Innovation.

Sie fühlen sich also nicht unter Druck gesetzt?

Druck ist schon da, aber mit dieser Vision vor Augen braucht man den auch. Trotzdem gehe ich die Herausforderung mit Freude an. Ich brenne für Innovation. Das war schon in meiner alten Rolle als Leiter des Geschäftsbereichs Coatings & Additives von Evonik Industries der Fall. Jetzt als Chief Innovation Officer natürlich erst recht.

Nährboden für Kreativität

Sie haben in ihrer Antrittsrede von einer Innovationskultur gesprochen. Wie muss man sich das vorstellen?

Eine Innovationskultur in meinem Sinne ist der Nährboden, auf dem kreative Ideen wachsen und wo auch ausprobiert und gescheitert werden darf. Auf dem Weg zur Innovation gibt es immer auch Fehl- und Rückschläge. Aus diesen Fehlern zu lernen, neue Wege zu finden und eingefahrene Wege zu verlassen – all das ist wichtig für eine funktionierende Innovationskultur. Und das immer im Spannungsfeld zwischen Schnelligkeit und langfristiger Forschung und Entwicklung.

Warum ist Innovation so wichtig?

Wenn Unternehmen aufhören innovativ zu sein, stehen Sie irgendwann vor der Wand. Innovation ist das Elixier, das ein Unternehmen am Leben hält. In unserer Branche ist das besonders ausgeprägt. Die Produkte, Prozesse, Systeme und Dienstleistungen, die uns konkurrenzfähig machen, entscheiden über unseren Unternehmenserfolg. Allgemeiner gesprochen ist Innovation für mich die richtige Lösung zur richtigen Zeit. Innovation ist ein wesentlicher Hebel für Wachstum. Erfindungen und clevere Ideen sind die Grundlage, um Geld zu verdienen. Nicht einfach Forschung um der Forschung willen.

Wie sieht eigentlich der Alltag eines Innovationsmanagers aus?

Nach außen bin ich Gesicht und Stimme unserer Innovationen. Nach innen gebe ich die Richtung vor. Dafür tausche ich mich viel mit den Innovationsmanagern der operativen Bereiche aus. Außerdem verantworte ich die strategische „Innovationsproduktion“, also das Hervorbringen von Innovationen, mit denen wir uns völlig neue Geschäfte erschließen.

Einen wichtigen Teil meiner Arbeit als Chief Innovation Officer bildet dauerhafte Kommunikation nach innen wie nach außen. Ich finde das sehr bereichernd. Andere zu motivieren und mit ihnen gemeinsam Innovation nach vorne zu bringen ist ein großer Bestandteil meiner Arbeit. Ich lerne aber auch selbst täglich dazu, zum Beispiel was gutes Innovationsmanagement ausmacht.

Und wie sieht ein gutes Innovationsmanagement aus?

Der entscheidendste Faktor ist der Zeitversatz. Je nachdem, in welchem Feld wir eine Innovation produzieren wollen, wissen wir manchmal erst nach einigen Jahren, ob etwas funktioniert oder nicht. Wir schauen uns also unsere Innovationspipeline an und bewerten, wo wir stehen. So kann ich schon vorher ablesen, was ungefähr dabei rauskommt. Ein ausgewogenes Portfolio an Innovationsprojekten begrenzt außerdem das Risiko von Fehlschlägen.

Kontrolliertes Risiko

Sie haben das Thema Motivation angesprochen. Wie finden und fördern Sie innovative Mitarbeiter?

Wir brauchen Intrapreneure, und die müssen sich auch mal durchboxen. Konzernintern haben wir 2012 eine Initiative gestartet, die Leading-Innovation-Initiative, die sich an geschäftsverantwortliche Entscheider im Konzern richtet. Denn die führen Innovation. Sie sind vor Ort in ihren Bereichen dafür verantwortlich, kontrollierte Risikobereitschaft, Frei- und Kreativräume zu schaffen. Und wenn dann eine gute Idee gefunden wird, dann muss natürlich auch die Investitionsbereitschaft her.

Nutzen Sie auch Anreizsysteme? Zum Beispiel Zuschläge?

Meine persönliche Meinung ist, dass es keine Anreizsysteme braucht. Schon gar keine monetären. Was kreative Mitarbeiter treibt, ist nicht primär der finanzielle Bonus. Wichtiger sind Plattformen, um die eigene Kreativität zu leben. Und die haben wir zum Beispiel in Form von Ideenwettbewerben, die für alle Mitarbeiter im Unternehmen offen sind. Aufmerksamkeit, Feedback und Anerkennung für die eigene Idee sind für kreative Mitarbeiter der stärkere Anreiz.

Es heißt oft, Startups seien kreativer. Gerade im Vergleich zu Großunternehmen wie Evonik. Suchen Sie die Zusammenarbeit mit Startups?

Wir nähern uns jungen Unternehmern zum Beispiel mit unserer Venture-Capital-Gruppe. Wir finanzieren also Gründer und sehen dann auch strategisch passende Partner. Da werden schnell neue Facetten für unsere Geschäfte sichtbar, die wir selbst vielleicht gar nicht vorher gesehen haben. Das ist seit etwa drei Jahren gut bei uns etabliert. Auch um zu sehen, was sich so tut auf dem Markt, ist Venture Capital wichtig. Es bleibt aber nur ein erster Schritt.

Und der nächste?

Nächste Schritte könnten intensivere Kooperation oder gar Akquise sein. Ein kleines Startups mit wenigen Mitarbeitern zu akquirieren birgt aber die Gefahr, plötzlich das gesamte Innovationspotenzial abzuwürgen, weil bürokratische Hürden entstehen, die ein großer Konzern nun mal mit sich bringt. Dabei zwischen Integration und Unabhängigkeit einen Weg zu finden, ist oft nicht leicht. Ein Austausch auf Augenhöhe ist enorm wichtig. Es kann zum Beispiel besser sein, wenn unsere Experten das Startup unterstützen statt es zu akquirieren. Das ist wirklich von Fall zu Fall unterschiedlich.

Geistiges Eigentum und Open Innovation

Innovationen von außen sind auch in Form von Open Innovation oder Crowdsourcing denkbar. Was halten Sie von den Konzepten?

Wir arbeiten in diesem Bereich natürlich viel mit Hochschulen zusammen. Andererseits hatten wir zum Thema Fahrbahnmarkierung beispielsweise eine offene Ausschreibung mit einer sehr breiten Teilnehmerschaft. Die Frage ist immer: Wie schaffe ich es, das geistige Eigentum bei solchen Prozessen zu sichern und zu nutzen.

Eine Open-Innovation-Kultur wie in der Software-Branche ist in der Spezialchemie-Branche eher nicht denkbar, da die Differenzierung hier wichtiger ist. Cross Industry Collaboration ist dagegen ein wichtiger Ansatz. Zum einen arbeiten wir mit Partnern aus anderen Industrien an konkreten Projekten. Zum anderen geht es aber auch um Fragen, wie andere Branchen ihre Innovationen managen? Best-Practice-Processes oder Innovation-Tools können oft einfach für die eigenen Anforderungen angepasst werden.

Zurück zu Evonik. Was ist Ihre Innovationsstrategie für die kommenden Jahre bei Evonik? Welche gesamtgesellschaftlichen Trends sehen Sie?

Evonik konzentriert seine Aktivitäten auf die wichtigen Megatrends Gesundheit, Ernährung, Ressourceneffizienz sowie Globalisierung. Daraus leiten wir unsere Themen ab, die entscheidend sind für eine langfristige Strategie. Zusätzlich schauen wir mit unserer Foresight-Gruppe noch weiter in die Zukunft, um neue gesellschaftliche Trends zu erkennen. Manchmal wirken die dort erarbeiteten Szenarien auf uns heute zwar noch abwegig, trotzdem geben die Trends wichtige Hinweise für unsere Strategie.

Insgesamt gibt es mehrere Aspekte, die wir uns dabei ansehen. Das sind erstens die Wachstumsfelder, bei denen wir eine Rolle spielen wollen. Das sind Bereiche wo wir noch nicht oder nur teilweise aktiv dabei sind. Ein Beispiel ist das Feld Electronic Materials. Hier gibt es Berührungspunkte mit unseren Geschäftsfeldern, aber wir wollen dieses Geschäft mit dem Fernsehen der Zukunft noch stärker ausbauen. Und wenn wir uns so ein Ziel setzen, dann mit vollem Einsatz, also hoher Investitionsbereitschaft und einem hohen angestrebten Umsatzvolumen.

Der zweite Aspekt ist das Management des Investitionsportfolios. Sprich: Wie viel Geld will ich in Innovationsprojekte stecken, die erst mittel- oder langfristig die Investition wieder einspielen? Daraus leiten wir dann unsere Strategie ab. Mein Anspruch dabei: Wir müssen fokussierter in unseren Projekten, internationaler bei unserer Forschung und offener in unserem Wissensaustausch werden.

Zum Schluss in aller Kürze: Wie lautet ihr persönliches Erfolgsrezept?

Neugierde und Lernbereitschaft.

Vielen Dank für das Interview!

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Evonik ist Partner der Initiative "Der Deutsche Innovationspreis".