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Ein Kicker macht noch kein innovatives Unternehmen

Ein gut gestaltetes, gerne schräges Arbeitsumfeld kann zu Geistesblitzen anregen. Wenn es richtig bespielt wird. Ein Erfahrungsbericht.

Von Jørn Rings

Wenn am Mittwochnachmittag Sina gegen Ben beim Kickern gewinnt, hatten beide viel Spaß. Und sie hatten etwas Ablenkung vom täglichen Arbeitsstress. Das tut dem Wohlbefinden und auch dem Denken gut. Denn Ablenkung ist wichtig. Keiner von uns kann seine Leistung halten, wenn er konstant versucht, Vollgas zu geben.

Doch mit Innovation hat das wenig zu tun. Eine Auszeit und Spaß führen nicht zum Querdenken, also zum Neudenken von Dingen auf ungewohntem Weg – geschweige denn zu einem Geistesblitz.

Haben Sie sich schon mal gefragt, warum Ihnen unter der Dusche oft gute Einfälle kommen? Ganz ohne bunte Sitzsäcke, digitale Spielzeuge und einen Kicker? Das hat alles keinen Einfluss auf die Kreativität. Weil es nun einmal keine Werkzeuge, sondern nur Bausteine sind.

Die Eingebung unter der Dusche ist das Ergebnis entsprechender Vorarbeit: Um innovative Ideen zu produzieren, sind wenige, aber wichtige Zutaten nötig: etwas Raum, eine Handvoll Können und eine Prise Inspiration. Viele Unternehmen setzten auf komplexe Strukturen, langjährige Strategieplanungen, interne Prozesshierarchien und teure Softwarelösungen. Ob und wie erfolgreich eine Innovation wird, hängt allerdings vor allem vom Faktor Mensch ab. Wenn jemand eine tolle Idee hat und die Unterstützung bekommt, diese Eingebung mit seinem Team voranzutreiben, entsteht etwas, das sich als Brennen fürs Projekt beschreiben lässt. Das kann keine Führungskraft kaufen und ist wichtiger als Fachwissen und teure Tools.

Drei Schritte zur Ideenkultur

Es geht darum, eine ideenfördernde Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter zu schaffen. Das betrifft die Architektur/Einrichtung, Arbeitsmittel, Weiterbildung zum kreativen Denken und regelmäßige Inspiration. Die Impulse, die von außen kommen, braucht unser Gehirn für die Arbeit – wie ein Taschenrechner Zahlen benötigt, um etwas berechnen zu können.

Parallel dazu verändert sich das Denken, das Verhalten und letztendlich die Kultur im Unternehmen – hin zu einer Ideenkultur.

  1. Schritt: Freiraum schaffen. Richten Sie einen Innovation Space ein, eine Arbeitsumgebung, die für Workshops optimiert ist. Sie sollte zum Rumspinnen im Team einladen und gleichzeitig einen visuellen Kontrast zur normalen Arbeitsumgebung bilden. Wir haben vor kurzem für die Zentrale des TÜV Rheinland in Köln eine ganze Etage zum Andersdenken umgestaltet. Zielgruppe sind die rund 20.000 Prüfingenieure und Experten des TÜV, die hier Ideen für die Zukunft des Unternehmens entwickeln sollen. Der „TÜV Innovation Space“ besteht aus verschiedenen Räumen, wie einem begehbaren Wald, in dem die Mitarbeiter unter Bäumen auf einer Holzbank sitzen und sich dank Rasenduft und Vogelgezwitscher einfach mal eine Auszeit nehmen können. Dieser Raum bietet die Möglichkeit, im Arbeitsalltag zu neuen Ideen zu gelangen – dank der besonderen Stimulation der Sinne. Ein anderer Raum ist dem Aussehen einer Berghütte nachempfunden. Hier finden auf alten Holzstühlen und Vintage-Sofas mithilfe großer Tafelwände Workshops statt, in denen die Teilnehmer alles Bestehende in Frage stellen dürfen. Solche Räume, egal ob im Hütten- oder Future-Style bilden die Basis sämtlicher Innovationsarbeit. Wichtig ist, sie als Werkzeug zu betrachten und entsprechend auszustatten. Die Optik dient dann vor allem der Inspiration und dem Wohlfühlen. Es muss aber auch Materialien geben, um simple Prototypen für Produkte bauen oder um Dienstleistungen testen zu können.
  2. Schritt: Werkzeugkasten nutzen.Verteilen Sie ideenfördernde Werkzeuge an den Arbeitsplätzen (auch in der Fertigung). Dazu zählen beschreibbare Tische, genauso wie strukturierende Boardsysteme. Das sind Tafeln, auf denen die Mitarbeiter Probleme benennen, Lösungsvorschläge entwickeln und ausprobieren sollen. Mobile Whiteboards (Ideenbrett, WhiteBlock, etc.) helfen ebenso, Gedanken sichtbar zu machen und in einen Team-Prozess zu überführen. Und vergessen Sie dabei die Inspiration nicht. Beispielsweise durch sorgfältig ausgesuchte Bibliotheken – ja wirklich: mit gedruckten Büchern. Denn in digitalen Zeiten beflügelt die Haptik eines Buches oder das Blättern in einem Bildband die Gedanken.
  3. Schritt: schulen, vortragen, diskutieren.Was wir nicht kennen, fassen wir nicht an. So geht es auch mit den Räumen und Werkzeugen, wenn die Mitarbeiter nicht lernen, mit ihnen zu arbeiten. Wer als Führungskraft nur in Hardware investiert, schafft bunte Wüsten, über die sich die Kollegen beim Plausch auf den Fluren lustig machen. Erst das durchdachte Bespielen von Räumen und das geduldige Heranführen an neue Werkzeuge schafft Akzeptanz und Nutzwert. Wir haben hierfür beispielsweise einen Katalog mit konkreten Empfehlungen für Events zusammengestellt. Und auch hier gilt es, regelmäßig Inspiration in Form von Vorträgen, Exkursionen oder Videos zu schaffen. Sei es durch Schulungen in Kreativtechniken, Workshops zum Design Thinking oder inspirierende Vorträge, etwa unterhaltsame Blicke in die Zukunft. Der Schwarzwälder Mittelständler Fischer (Dübel, fischertechnik) bietet seinen Mitarbeitern beispielsweise jährlich rund 200 Veranstaltungen in der hauseigenen Akademie an. Wenn die Mitarbeiter offen und interessiert für solche Themen sind, dann ist das ein Beleg dafür, dass Sie alles richtig machen.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei!

Übrigens: Prozesse und Strategien brauchen Sie natürlich trotzdem – um aus innovativen Ideen erfolgreiche Projekte zu machen. Und für gute Prozesse braucht es auch wieder gute Ideen. Die Idee ist eben immer der Anfang.

Jørn Rings ist Geschäftsführer von NEU, Gesellschaft für Innovation mbH, Düsseldorf

 

 

Jørn Rings ist Geschäftsführer von NEU, Gesellschaft für Innovation mbH, Düsseldorf