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EFI: Forschungs- und Innovationsförderung in Deutschland zu technologisch orientiert

„Soziale Innovationen können einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen leisten", so Christoph Böhringer von der Universität Oldenburg und Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) im Rahmen regionaler Präsentationen des neuen Jahresgutachtens der Kommission. Bekannte Beispiele für soziale Innovationen aus den letzten Jahrzehnten seien zum Beispiel die Einführung der Hospize, Wikipedia, die Mikrokredite des Friedensnobelpreisträgers Yunus, Mehrgenerationenhäuser und viele andere mehr. Auch die jüngsten Digital-Start-ups wie der Immobilienvermittler „Airbnb" und der Taxidienst „Uber", deren Geschäftsmodelle auf neue Formen des Zusammenlebens und der Mobilität setzen, seien dazuzurechnen.

Uber, also das „Taxi fahren ohne Taxi", sei in Europa umstritten, habe sich in den USA und anderswo aber etabliert, so Böhringer. Uber und andere neue Services verstünden ihre Angebote als Bestandteil der „Share Economy", wo jeder sich und seine Fähigkeiten der Allgemeinheit zur Verfügung stellen könne. „Unternehmen dieser Art, deren Geschäftskonzept gekennzeichnet ist durch die gemeinsame zeitlich begrenzte Nutzung von Ressourcen, die nicht dauerhaft benötigt werden, sind dabei sozial innovativ."

„Wir haben die Sorge, durch die Fokussierung auf ein technologisches Innovationsverständnis in der Förderpolitik wichtige soziale Innovationspotenziale zu vernachlässigen", bringt Böhringer die Bedenken der Kommission auf den Punkt. Zwar seien seit 2010 auf EU-Ebene und auch in Deutschland soziale Innovationen in verschiedenen Projekten gefördert worden, aber „wir fordern von der Bundesregierung nun mutige Schritte ein, um mit neuen Formaten der Partizipation und mit neuen Förderinstrumenten zu experimentieren".

Hierbei sei der klassische Preisgeld-Wettbewerb ein bewährtes und flexibles Instrument zur staatlichen Förderung von sozialen Innovationen, die „im Unterschied zu technologischen Innovationen weniger stark durch Patente abgesichert werden können", so Böhringer. Die Kommission empfehle als neue Förderform aber auch „Real-Labore": „In Feldexperimenten bringen Wissenschaftler im engen Dialog mit Vertretern von Kommunen, Wirtschaft und Bürgern Veränderungen auf den Weg und sorgen für eine abschließende Dokumentation und Bewertung." So habe das Wissenschaftsministerium in Baden-Württemberg im letzten Jahr mehrere Real-Labore in einem Ausschreibungswettbewerb ausgewählt und fördere sie in den kommenden Jahren mit rund 15 Millionen Euro.

Für die Expertenkommission Forschung und Innovation stehen soziale Innovationen generell für „Veränderungen in der Nutzung von Technologien" sowie für „Veränderungen von Lebensstilen, Geschäfts- und Finanzierungsmodellen, Arbeitsweisen oder Organisationsformen". Zugleich könnten sie – müssten aber nicht – durchaus kommerziell erfolgreich sein.

Allerdings hält die Expertenkommission einen Paradigmenwechsel in der staatlichen Forschungs- und Innovationsförderung nicht für notwendig. Böhringer zur prinzipiellen Förderfähigkeit: „Unabhängig von einer sozialen oder technologischen Ausrichtung besteht Förderfähigkeit grundsätzlich dann, wenn Innovationen, die gesellschaftspolitisch wünschenswert sind, privatwirtschaftlich nicht oder nicht in ausreichendem Maße bereitgestellt werden." Die Förderung sozialer Innovationen könne auch genutzt werden, um verstärkt auf gesellschaftliche Partizipation zu setzen. Eine stärkere Einbindung der Bürger bei der Prioritätensetzung in der Forschungs- und Innovationsförderung hatte die EFI bereits in früheren Gutachten empfohlen.

Es sollten jedoch nur soziale Innovationen gefördert werden, die nach dem Auslaufen einer öffentlichen Anschubfinanzierung des Projektes nachweislich ausreichend Potenzial für wirtschaftliche Nachhaltigkeit hätten. Böhringer abschließend: „Der Ruf nach Förderung sozialer Innovation darf nicht als Befürwortung neuer staatlicher Dauerfinanzierungen missverstanden werden."