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Dem Mittelstand drohen die Ideen auszugehen

Kleine und mittlere Unternehmen galten lange als Motor des technischen Fortschritts in Deutschland. Doch eine neue Studie zeigt: Immer weniger Firmen wagen sich an neue Produkte und Dienstleistungen.

Wenn es um Innovationen ging, stand die deutsche Wirtschat lange nicht im Vordergrund Doch während auf der großen Bühne Google & Co. die Lorbeeren für ihre disruptiven Innovation ernteten, hatte die deutsche Industrie immer ein Ass in der Hinterhand: den Mittelstand. Er war und ist einer der wichtigsten Gründe für Deutschlands Aufstieg zum Exportweltmeister.

Eben jene Unternehmen, die in Reihe zwei oder drei der deutschen Wirtschaft stehen. Dazu gehört die kleine Eisdiele mit neuer Eissorte ebenso wie ein Modelabel mit einem neuen, modernen Online-Shop. Aber auch viele Hidden Champions zählen zum Mittelstand. Also Unternehmen, die in ihren Nischen Weltmarktführer sind, ohne dass die breite Öffentlichkeit sie unbedingt kennen würde. Sie alle haben jahrelang neue Ideen und technischen Fortschritt in Deutschland vorangetrieben.

Doch die Innovationskraft des deutschen Mittelstands lässt offensichtlich erschreckend nach. Das zeigt eine Studie der Förderbank KfW. Den Ergebnissen zufolge ist die Zahl innovativer Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr von etwas mehr als einer Million auf nur noch 800.000 zurückgegangen. Das ist ein Einbruch von rund 20 Prozent.

Von den 3,7 Millionen Mittelständlern in Deutschland sind demnach noch 22 Prozent der Firmen auf die eine oder andere Weise innovativ. Das ist laut KfW der niedrigste Wert seit Beginn der Studie, für die seit 2003 jährlich knapp 5000 Unternehmen befragt werden.

Auffällig: Obwohl die reine Zahl der Innovatoren zurückgeht, bleiben die Investitionen in Innovation auf einem konstanten Level. Der Studie zufolge hat der deutsche Mittelstand im vergangenen Jahr 36,7 Milliarden Euro investiert und damit in etwa so viel wie in den Jahren zuvor. Größere Mittelständler hätten ihre Ausgaben sogar erhöht. Kleine Mittelständler mit fünf oder weniger Mitarbeitern hingegen halten sich zunehmend zurück. Das führt zu einer starken Konzentration und damit Zweiteilung in der Wirtschaft.

Eine Entwicklung, die auch Christof Layher so sieht. Der unabhängige Experte für Digitalisierung und Industrie 4.0 berät den deutschen Mittelstand seit Jahren und stellt dabei immer häufiger fest: „Die Unternehmenswelt lässt sich gut teilen: In die, die wirklich viel in Innovationen investieren und die, die kaum etwas investieren“, sagt er. Diese zwei Ströme habe es zwar schon immer gegeben, doch wurden die Trennlinien mit den Jahren schärfer.

Auch zwischen den Branchen gibt es diese Brüche. Besonders wenig innovativ sind der Studie zufolge die Baubranche und der Dienstleistungssektor. Bereits zu Beginn der Messung 2003 lagen diese beiden Wirtschaftszweige auf den hinteren Plätzen – und fallen seitdem weiter zurück. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW, warnt, dass mit sinkender Innovationstärke auch die Produktivität abnehme. In der Folge befürchtet er, dass Mittelständler in diesem Punkt weiter hinter die Dax-Konzerne zurückfallen könnten.

Dabei kann Innovation in nahezu jeder Branche und auch mit fast jeder Art von Budget angestoßen werden, erklärt Experte Layher. „Am Ende müssen sich Unternehmen nur die Frage stellen: Was kann ich verbessern, um Zulieferer und Kunden besser an mich zu binden?“ Das können durchaus auch sehr kleine Projekte mit einem Budget von 200 oder 500 Euro sein, sagt er. „Das haben viele Unternehmen noch nicht verstanden.” Layher hofft deshalb auf einen – zumindest kleinen – Abschwung der Wirtschaft. Denn viele Unternehmer seien nicht bereit für Veränderung, solange das Bewährte noch funktioniert.

Doch warum stagniert die Innovationskraft des Mittelstands überhaupt? Dazu führen die Macher der KfW-Studie gleich mehrere Gründe an. Der wohl wichtigste: Vielen Firmen fehlt in erster Linie Kapital, um neuartige Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln.

Die KfW beklagt zusätzlich, dass die Versorgung mit Bankkrediten zwar sehr gut sei, diese aber oft nicht in Anspruch genommen werden. Eine Kritik, die Layher nicht teilen kann. Gerade bei Darlehen für Zukunftsprojekte würden sich Hausbanken trotz der Niedrigzinsphase quer stellen „Bis da ein Kredit freigegeben wird, dauert es“, sagt er. Ihn wundere es deshalb nicht, dass viele Mittelständler vor Investitionen zurückschreckten. Statt alles über Kredite zu finanzieren, wünscht er sich mehr Wagniskapital in Deutschland. „Das würde die Innovationskraft des Mittelstandes sicherlich nach vorne bringen“, sagt Layher.

Doch fehlende Finanzmittel sind längst nicht das einzige Problem. Der KfW-Studie zufolge hemme auch der Mangel an Fachkräften die Innovationsfreude der Unternehmen. Denn wird die Belegschaft immer älter und fehlt junger Nachwuchs, ist die Wahrscheinlichkeit, dass frischer Wind in die Unternehmen kommt, äußerst gering.

Um künftig mehr technischen Fortschritt zu fördern, fordert KfW-Chefsvolkswirt Zeuner: „Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima, das Innovation und Wandel begrüßt.“