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Arbeit 4.0: Wie das Smartphone die Stechuhr überwindet

Das Fordsche Fließband aus dem Jahr 1913 / Quelle: Ford Company, Wikimedia Commons, Public Domain

Als Henry Ford im Jahr 1913 ein permantes Fließband aufbaute, die erste sogennante „moving assembly line“, war das ein technologischer Meilenstein. Ford konnte die Produktion des T-Modells auf das Achtfache steigern, den Preis damit drastisch reduzieren und seinen Arbeitern bessere Löhne zahlen. Die Strategie zahlte sich aus: Fords Mitarbeiter wurden zu seinen besten Kunden und seine Technologie zu einem Exportschlager.

Gut 100 Jahre später ist das Fordsche Fließband nur noch ein Relikt vergangener Tage. Unsere Industrie und die Art wie wir arbeiten haben sich grundlegend verändert. In den Produktionshallen halten Smartphone und Big Data Einzug, während sich die Arbeit flexibilisiert und vom Fließband an die digitale Schaltzentralen verlagert hat. Folgt also auf die vierte industrielle Revolution nunmehr eine Arbeit 4.0?

Industrie 4.0 führt zu Arbeit 4.0

Henning Kagermann, Digitalexperte und Präsident der Akademie Acatech und ehemaliger CEO von SAP, ist davon überzeugt. Kagermann, der mittlerweile als Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel fungiert, sagt im Interview mit der Rheinischen Post: „Ich glaube [..] fest daran, dass sich künftig der Schichtkalender immer mehr dem Arbeiter anpassen kann und nicht umgekehrt. Industrie 4.0 führt zu Arbeit 4.0.“

Berufsausbildungen müssten ergänzt werden und so mehr und mehr einer neuen Form von Arbeit in den Fertigungshallen der Zukunft – den Smart Factories – gerecht werden. „Zur Wahrheit gehört natürlich, dass es eine Verschiebung beim Arbeitsbedarf geben wird: Die klassische Fließbandarbeit wird immer häufiger intelligenten Maschinen weichen. Dafür werden künftig mehr Menschen in den Forschungs- und Designabteilungen und für die Überwachung der Maschinen gebraucht“, so Kagermann gegenüber der Rheinischen Post.

Smartphone statt Stechuhr!

Um diese Entwicklung zu fördern hat die Bundesregierung schon im Jahr 2012 drei nationale Leitprojekte als Beiträge zum sogenannten Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“ ins Leben gerufen. Hinter dem etwas kryptischen Titel KapaflexCy – eines der drei Forschungsvorhaben – verbirgt sich das Ziel „hochflexibler Kapazitätseinsätze in Unternehmen“, so das Fraunhofer Institut für Arbeitsorganisation, welches KapaflexCy wissenschaftlich begleitet.

Gemeint ist eine Arbeitssteuerung in Echtzeit. In der Smart Factory, der intelligenten Fabrik, sind Maschinen, Produkte und Anlagen digital miteinander vernetzt und machen so eine selbstorganisierte Steuerung möglich. Die Produktion kann eigenständig und in Echtzeit auf Rahmenbedingungen wie Nachfrage reagieren, so das erklärte Ziel. Die intelligente Maschine kann menschliche Arbeit in vielen Bereichen ersetzen. Doch ganz auf den Menschen verzichten, kann sie nicht.

Maschinen verstehen nur Befehle

„Die Komponenten einer 4.0-Produktion verfügen quasi über Augen, Ohren, Gedächtnis und sogar Steuerungsintelligenz. Allerdings erkennen ihre Augen nur Barcodes und Muster, ihre Ohren verstehen lediglich vordefinierte Befehle und auch auf absehbare Zeit werden ihnen keine Beine, Arme oder Hände wachsen“, beschreibt Stefan Gerlach vom Fraunhofer-Institut IAO das Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine.

Und weiter: „Menschen dagegen verfügen über die Fingerfertigkeiten zum Kommissionieren und Montieren. Vor allem verfügen sie über eine kreative Intelligenz zur kontinuierlichen Verbesserung der Prozesse.“ Die Industrie 4.0 schafft so Räume für eine neue Arbeitsorganisation. Statt Nine-to-Five-Jobs, dem klassischen Arbeitsalltag, können Arbeitsgruppen sich eigenverantwortlich, flexibel und kurzfristig mit dem Smartphone abstimmen.

Social-Media-Schichtplan

Genau diese Möglichkeit versucht das Forschungsvorhaben KapaflexCy auszuloten. „Teamleiter oder Schichtführer sollen nicht mehr mühsam mit allen Mitarbeitern Schichtänderungen aushandeln. Einfacher und schneller geht es zukünftig mit mobilen Smartphones und Social-Media-Methoden. Bei Schichtänderungen erhalten alle in Frage kommenden Mitarbeiter Einsatzanfragen“, erklärt Stefan Gerlach.

Sieht so also die Zukunft der Arbeit aus? Skeptische Stimmen verweisen beim Thema Industrie 4.0 darauf, dass es gerade bei kleinen und mittelständischen Unternehmen Probleme bei der Umsetzung gibt. Viel mehr als ein Schlagwort sei die Industrie 4.0 in Wirklichkeit nicht. Auch der Datenschutz werde zu wenig thematisiert.

„Deutsche Wirtschaft muss ihre Chance nutzen“

Regierungsberater Henning Kagermann weist diese Bedenken im Interview mit der Rheinischen Post zurück: „Es gibt Stimmen aus der Industrie, dass die Transformation zu Industrie 4.0 schwierig werden kann. Tatsächlich haben wir aber in Deutschland sehr gute Startvoraussetzungen, diese Revolution zu gestalten und künftig weltweit führend beim Internet der Dinge oder der Vernetzung von Maschinen zu sein. Die deutsche Wirtschaft muss das verstehen und ihre einmalige Chance auch nutzen.“

Sein Fazit: „Jede Milliarde, die man heute in den Aufbau dieser Infrastrukturen investiert, wird sich rechnen.“

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Das ganze Interview lesen Sie bei den Kollegen der Rheinischen Post. Weiterführende Links zum Thema Arbeit 4.0 in der Industrie 4.0 finden Sie hier.

Paper „Neue Arbeitszeitmodelle haben das Experimentierstadium in den Betrieben verlassen“ von Fraunhofer-Institut.

Kurzinterview zum Forschungsprojekt KapaflexCy vom Fraunhofer-Institut.

Beitrag der WirtschaftsWoche „Der Nine-to-Five-Job ist tot.“ von Kristina Govedarica

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